Intakte Ökosysteme spielen eine zentrale Rolle bei der Begrenzung des Klimawandels. Vor allem Wälder, Moore, naturnahes Grassland und Meere nehmen zusammen etwa die Hälfte der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen wieder auf. Doch mit zunehmendem Klimawandel und zunehmender Degradierung der Ökosysteme nimmt ihre Fähigkeit, zusätzliches CO2 aufzunehmen, ab. Im Klartext heisst dies: Wenn wir die Natur weiter in gleichem Mass übernutzen, ist der Klimawandel nicht zu stoppen. Klimaschutz braucht Naturschutz. Umgekehrt lässt sich auch der Biodiversitätsverlust nicht bremsen, wenn wir es nicht schaffen, den Klimawandel zu begrenzen. Die Erderwärmung ist weltweit die drittstärkte Ursache für den Artenschwund.
Die Klima- und die Biodiversitätskrise verstärken sich gegenseitig und können nur gemeinsam angegangen werden. Glücklicherweise gibt es Massnahmen, die gegen beide Krisen helfen. Wir könnten zum Beispiel aufhören, tropische Regenwälder abzuholzen und Moorböden zu entwässern oder abzubauen. Das sind im Vergleich zu technischen Lösungen einfache und günstige Klima- und Naturschutzmassnahmen. Die Wiederherstellung degradierter Ökosysteme trägt nicht nur zum Erhalt der Biodiversität bei. Sie mindert auch den Klimawandel, da sich so mehr Kohlenstoff aus der Luft in Böden und Pflanzen speichern lässt.
Indem wir intakte Ökosysteme bewahren und degradierte Lebensräume wie Auen oder Wälder wiederherstellen, vermindern wir nicht nur Treibhausgasemissionen. Es hilft uns auch, uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Mit solchen naturbasierten Lösungen kann der Wasserhaushalt reguliert, die lokalen Temperaturen gesenkt, die Schäden durch Unwetter vermindert und die landwirtschaftliche Produktion verbessert werden. Am offensichtlichsten zeigt sich dies in Siedlungsgebieten: Dort tragen beispielsweise Bäume durch Verdunstung und Beschattung zur Kühlung des lokalen Klimas bei. Bäume brauchen unversiegelten Boden, also Flächen, wo Regenwasser versickern kann. Solche sickerfähigen Böden schützen bei Starkniederschlägen auch besser vor Überschwemmungen.
Gewisse Massnahmen gegen die Klimakrise – etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien in besonders sensiblen Gebieten – können die Biodiversitätskrise hingegen verschärfen. Das darf nicht sein. Viel klüger und wirkungsvoller ist es, die Ursachen anzugehen, die für beide Krisen verantwortlich sind: unseren nicht nachhaltigen Lebenswandel mit seinem enormem Ressourcenverschleiss. Sowohl der Weltklimarat IPCC wie der Weltbiodiversitätsrat IPBES raten dringend zu einem Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft.
Es reicht nicht aus, Energie effizienter zu nutzen. Wir müssen unseren Ressourcen- und Energieverbrauch überdenken. Reiche Länder wie die Schweiz haben eine besondere Verantwortung: Würden alle Menschen so leben wie wir, wären 2,8 Erden nötig, um uns mit genügend Nahrungsmitteln und Ressourcen zu versorgen. Die ökologische Tragfähigkeit der Erde setzt unserem stetig steigenden Verbrauch natürlicher Ressourcen Grenzen. Diese ökologischen Grenzen sind nicht verhandelbar.
Mehr zu diesem Thema im Factsheet «Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam angehen»
Dr. Daniela Pauli und Dr. Sascha Ismail arbeiten auf der Geschäftsstelle des Forum Biodiversität Schweiz. Diese gehört zur Plattform «Science and Policy» der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz SCNAT.
Fotos Porträts: Sandra Stampfli