31. März 2022

Der digitale Bauernhof: Künstliche Intelligenz und Klimaschutz?

| von Prof. Dr. Achim Walter

Roboter, Sensoren und digitale Technologien verändern unser Leben. Können sie einen Beitrag dazu leisten, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten? Ja, findet Achim Walter – aber Wissenschaft und Konsumierende sind gefordert, die Möglichkeiten richtig zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Die Landwirtschaft ist durch Dürren und Starkregen von der Klimakrise bereits heute enorm betroffen. Gleichzeitig ist sie eine der grössten Verursacherinnen der Erderwärmung. Dafür sind viele verschiedene Faktoren verantwortlich. Einer davon sind die Treibhausgase, die beim Einsatz von Stickstoffdünger anfallen. Diese Emissionen zu reduzieren, stellt eine ziemlich komplexe Herausforderung dar.

Damit eine Pflanze wächst und gedeiht, benötigt sie ausreichend Stickstoff. Dieser muss dem Boden zugesetzt werden, was mittels unterschiedlicher Düngemittel geschehen kann. Ein Teil des Stickstoffs wird bei diesem Prozess jedoch in Lachgas (N2O) umgesetzt. Lachgas ist als ⁠Treibhausgas⁠ rund 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid (CO2) und trägt knapp 10 Prozent zur globalen Erderwärmung bei. Stickstoffhaltige Düngemittel sind mit Abstand der grösste Verursacher der menschengemachten Lachgasemissionen.

Der Stickstoff-Verbrauch in der Landwirtschaft lässt sich jedoch stark reduzieren, ohne dass es dabei zu geringeren Erträgen kommt. Dafür muss der Stickstoffdünger möglichst gezielt eingesetzt werden – also dort, wo er zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich gebraucht wird und auch von der Pflanze aufgenommen werden kann. Zu diesem Zweck orientiert man sich bereits seit Längerem an der Grünheit des Pflanzenbestandes. Diese gibt Auskunft darüber, wie viel Stickstoff die Pflanze zum jeweiligen Zeitpunkt benötigt. Es braucht also eine möglichst genaue Messung der Farbintensität und zwar kurz vor der geplanten Düngung, um die optimale Menge an Stickstoffdünger zu berechnen.

Hier kommt nun die moderne Technik zum Einsatz. Drohnen mit Farbkameras oder Satellitenbilder können helfen, den Einsatz von Stickstoffdünger (und anderen Hilfsstoffen) möglichst effizient und umweltfreundlich zu gestalten. Man bezeichnet das auch als ‘Precision Agriculture’. Viele Studien und Überblicksartikel haben gezeigt, dass sich dadurch Klimafolgen sowie Umweltschäden minimieren lassen (Balafoutis et al. 2017, Finger et al. 2019). Der Stickstoffverbrauch kann so um rund 30 Prozent gesenkt werden (Argento et al. 2021, Digitale Helfer verbessern Stickstoffeffizienz | LANDfreund online).

Derzeit wird an vielen technologischen Massnahmen geforscht, die in den Bereich der Precision Agriculture fallen. Damit sie sich durchsetzen, müssen sie aber nicht nur einen ökologischen Vorteil bieten, sondern auch erschwinglich sein und verlässlich funktionieren. Ein hohes Potenzial liegt dabei im Gebiet des maschinellen Lernens — auch bekannt als künstliche Intelligenz. Sie kann uns helfen, die Zuverlässigkeit von Messverfahren und Bildanalyse-Methoden massiv zu erhöhen (Ähren zählen für mehr Ökologie | ETH Zürich). Hier gibt es für Wissenschaft und Forschung noch viel Arbeit, damit zuverlässige Sensoren, Roboter und Modellierungen entstehen. Klar ist: Landwirtschaft funktioniert bei uns nicht mehr ohne moderne Technologien. Und richtig eingesetzt können sie einen entscheidenden Beitrag leisten, die Landwirtschaft nicht nur günstiger, sondern auch nachhaltiger zu machen.

Achim Walter
ETH-Professor für Pflanzenwissenschaften

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